Happy Birthday, Zulu Nation! Was ist HipHop heute?

Morgen ist der 12.11.2022. An diesem Tag jährt sich in diesem Jahr der Geburtstag der Zulu Nation zum 49. Mal. Seit 1993 bin ich offizielles Mitglied und erzähle euch hier ein bisschen was zum Thema HipHop, Kultur und die Zulu Nation.

 

Chris Goertz Lucky Strike zulu Nation HipHop

 

Meine ganz persönliche HipHop Story? Erzähl ich euch.

Wie ihr sicher wisst, bin ich auf dem Land aufgewachsen. Am Niederrhein. Für jemanden wie mich, der sicher nicht doof ist, gerne über Tellerränder schaut, viel „andere“ Musik hört und sich zudem sehr umtriebig mit Computern beschäftigt, war da nicht viel geboten. Rap Musik war schon immer mein Ding. Seit Ende der 80er schon. Storytelling ist es bis heute. Einfach, weil Rap sehr oft eine Message hatte und in den Tracks eine Geschichte erzählt wurde. In der Schule war Englisch für mich auch immer wichtiger gewesen als Mathe oder Physik. Ich wollte unbedingt verstehen, was da erzählt wurde. Die Nähe zu Venlo in den Niederlanden und dem dort bis heute ansäßigen „Sounds Records Shop“ sorgte zudem dafür, dass ich das Geld, das ich nicht für Alkohol oder Drogen ausgab, sinnvoll in Musik investieren konnte, die sonst kaum einer hatte.

Wir schreiben das Jahr 1992 oder so. Damals war ich schon einige Jahre sehr interessiert an dieser (in Europa) noch verhältnismäßig jungen Musikrichtung Rap und allem, was damit zu tun hatte. Run DMC, L.L. Cool J., Public Enemy … das war meine Musik. Aber auch Electro-Funk und B-Boy Beats auf Tape konnte ich damals stundenlang hören.

 

Zulu Nation Member Pass HipHop Chris Goertz

Irgendwann begriff ich, dass es auch in Deutschland eine etablierte und respektierte Szene gab. Menschen, die diese Musik- und Jugendkultur aus der Bronx, New York, respektierten, feierten, adaptierten und lebten. Ich wolte mehr erfahren und knüpfte Kontakte nach Heidelberg und Mannheim zu Torch, Toni L, Cora E., Gee One oder Moe z.B., nach Köln, in Richtung Scopemann, Tuareg und Fast Forward, DJ Lifeforce, den Jungs von Die Firma, DJ Rick Ski und sein Bruder Future Rock, DJ Back Q und noch so viele mehr, aber auch nach München zu Katmando und natürlich nach Berlin – zu Storm oder Zulu Ben vom Wildstyle Shop und seinem Umfeld. Parallel recherchierte ich in Magazinen aus England und den USA, studierte Plattencover und irgendwann – mitten in der Nacht – telefonierte ich dann mit meinem späteren Mentor, Michael „Lucky Strike“ Corral und „Grandmixer DST“ über die Hotline der Universal Zulu Nation in New York. Stundenlang. Für viel Geld. Mein Interesse und meine Beharrlichkeit wurden belohnt.

Zur Erklärung: Es gab Anfang der 90er noch kein Internet für Privatpersonen, keine Smartphones oder E-Mails. Faxe waren damals das Coolste in Sachen Kommunikation, wenn es mal mehr als das normale Telefon sein musste. Man telefonierte einfach drauf los, hob den Hörer hoch, wählte die Nummer und wartete, bis irgendwer ran ging. Oder auch nicht.

So gelangete ich nach und nach an immer mehr Informationen und neue Freunde oder Bekannte. Man musste damals einfach machen, um ein Ergebnis zu erzielen oder Informationen zu bekommen. Alleine zuhause rumhocken und es auf sich beruhen lassen, das war keine Option. Also, nicht für mich.

 

Zulu Nation Member Pass HipHop Chris Goertz

 

Der Rest ist Geschichte. Kurz darauf begannen meine „Hip Hop Years„, etwa zehn Jahre in denen ich dutzende Male nach New York reiste, um einfach dort und dabei zu sein, bei den Zulu Nation-, Rock Steady Crew– und Cold Crush– Anniversaries, mit Afrika Bambaataa, DJ Kool Herc, Seen als Graffiti-Legende oder Crazy Legs, stellvertretend für die B-Boy Community. Sobald ein paar hundert Mark angespart waren, setzte ich mich in ein Flugzeug, mietete mir ein Zimer, eine Wohnung oder sonst irgendwas – und flog auch schon mal von Donnerstag bis Sonntag rüber. Nur für ein Event oder einen Videodreh. Das waren auch die Jahre in denen ich beim damals neuen JUICE Magazin als Redakteur arbeitete, aber auch mit HipHop-Deutschland und vielen internationalen Gästen bei VIVA, meinem späteren Arbeitgeber, im Word Cup Studio herum hing – und sogar als „Fachmann für HipHop im Internet“ interviewt wurde. Denn ab 1993 startete das Internet auch in Deutschland. Kaum bezahlbar, arschlangsam und ohne wirklichen Mehrwert. Aber das Potential dieser neuen Technologie, die viele Jahre später für Viele in Deutschland immer noch „Neuland“ war, erkannte ich schnell und blieb dabei. Webseiten, Blogs, Fotos und Videos,.. Content war mein Ding. Einfach, damit ich zeigen konnte, wie cool all das war, was ich erlebte – und weil ich wollte, dass diese coolen Dinge niemals vergessen werden.

Um es mit den Worten der großartigen Cora E. zu sagen:

Doch heute ist mir klar, es wäre nichts so, wie es ist, wär es nicht gewesen, wie es war!

Ich wurde mit der Zeit ein kleiner Teil der zweiten Welle HipHop in Deutschland, kam viel rum, lernte großartige Menschen kennen, dokumentierte Vieles von dem was ich erlebte, wie man in meinen #wasdaloswar Videos sehen kann und war dabei, wann immer sich diese Musikkultur veränderte und entwickelte. Oft nicht in die Richtung, die ich für die richtige hielt.

Es hat lange gedauert bis ich verstanden habe, dass es die Musik gibt und die Kultur. Und deren Geschichte galt es zu bewahren. Denn Musik ist ein Konsumprodukt, das sich beliebig austauschen lässt. Echte Klassiker – sowohl Künstler als auch Musikproduktionen – gibt es nur noch selten. Darum ist es wichtig, die originalen Werte und die Elemente der Musikkultur HipHop zu bewahren, Gutes zu adaptieren, Wertvolles wachsen zu lassen und sich von der „Sell Out“-Mentalität, die im Rap aktuell herrscht, nicht einnehmen zu lassen.

Ich behaupte nicht, dass ich alles gesehen oder etwas Besonderes geleistet hätte. Wäre ich nicht dabei gewesen, es hätte wohl kaum etwas geändert. Auch sehe ich mich nicht als Fachmann für HipHop, so wie viele andere Zeitgenossen heute. Aber es ist, wie es ist: Ich war da, war damals schon dabei, ich war hungrig, neugierig, hatte Glück, gute Connections und konnte dem Ganzen mit meinen ganz eigenen Skills auch etwas zürückgeben – was am Ende zu alledem hier führte.

 

VIVA TV Wordcup Studio Tyron Ricketss Scopemann Chis Goertz

Was ist geblieben?

Manchmal öffne ich meinen Schrank, halte die vielen Zulu Nation Medaillions in der Hand, die T-Shirts der Rock Steady Crew, die unzählichen Papierfotos, die vielen digitalen Scans, die Videoschnipsel auf DVD, die Video8 und Hi8 Cassetten auf denen ich Events, Interviews und Alltagsmomente aus diesen „HipHop Years“ festgehalten habe. Ich freue mich einfach, dass ich dabei war, ein Teil davon sein konnte, immer noch bin, und immer auch etwas zurückgeben konnte. Each one – teach one, eben.

Als man mich dann 2021 für die HipHop-Dokumentation „We Wear The Crown“ interviewt hat, hätte ich gerne mehr über diese Zeit und mein Großwerden im HipHop gesagt, aber leider gingen die Fragen in eine andere Richtung. Als dann einige Produktionfirmen Ausschnitte meines alten Materials anfragten, um es in ihren Produktionen zu verwenden, schloss sich nach fast 30 Jahren der Kreis für mich.

Hip Hop raised me, Hip Hop taught me. Happy 49th Birthday, Zulu Nation Family!

Hier noch ein Artikel, den ich vor 14 Jahren für MZEE.COM schrieb, als ich dort leitender Blog-Redakteur war. Sorry, für die Rechtschreibfehler. 😉